Der erste Ritt 1983. Donnergrollen, Dauerwellen und dicke Rösser
Föhnfrisuren, Vollbärte, viel zu lange Röcke, dafür umso kürzere Hosen mit obligaten weißen Socken – keine Frage, wir sind in den 80ern.
Im Jahr 1983, um genau zu sein: Die Sowjet-union war noch das Reich des Bösen, Italien Fußballweltmeister und Silvius Magnago Landeshauptmann, als der Oswald-von-Wolkenstein-Ritt seine erste Auflage erlebte.
Innerhalb kürzester Zeit hatten die Ideatoren den Ritt nicht nur auf dem Papier erarbeitet, sondern auch organisatorisch auf die Beine gestellt.
Und hatten einen unerwarteten Erfolg. Mit Mordstrara wurde der Ritt am Kofl von einem schmalen Völser mit breitem Schnauzer präsentiert, der sich hier seine Sporen noch als Platzsprecher verdiente, um zehn Jahre später den Vorsitz im OK des Rittes zu übernehmen.
Dazu zitierte Oswald, das Double, Lieder des Originals und samtene Burgfräuleins mit turmhohen Dauerwellen übernahmen die Auslosung für die Startreihenfolge.
Punkt acht Uhr am nächsten Morgen ging’s von der Trostburg los, wo sich die bunte Schar der vierzehn Mannschaften versammelt hatte.
Ein Blick in die Gesichter der Startenden zeigt noch nicht jene wilde Entschlossenheit, wie sie heute gang und gäbe ist, sondern eher die Spuren der allzu ausgelassenen Zecherei des Vorabends.
Auch die Rösser machten nicht gerade den durchtrainiertesten Eindruck. Bodenständige Arbeitstiere mit einem Hintern, so breit wie ein Garagentor, und einem Rücken, dem ein Sattel so unbekannt ist, wie der Staatspräsident der Elfenbeinküste. Mit diesen Rössern also geht man den ersten Wolkensteinritt an, jagt sie zwanzig Kilometer weit von der Trostburg bis Schloss Prösels und absolviert auf ihrem Rücken (oder auch nicht) vier Turnierspiele, die eindeutig für ihre sportlicheren Artgenossen geschaffen sind. Trotzdem: Studiert man heute das Video des ersten Rittes, ein Zeitdokument ersten Ranges, wird man den Eindruck nicht los, dass der Ritt nicht nur den Reitern, sondern auch – nein, sogar hauptsächlich – den edlen Rossen Spaß gemacht haben muss.
Man wird den Eindruck nicht los, dass sie sich über die Fremdlinge auf ihrem Rücken lustig machen, indem sie partout nicht das tun, was diese von ihnen wollen. Beim Ringstechen am Kofl beispielsweise galoppieren ihre Nachfahren heute wie die Irren um das schmale Rund.
Sie, die Pioniere des Rittes, wollten vom Galopp nichts wissen. Der Trab scheint für sie Ausdruck höchster Eile, doch auch dieser Gangart ziehen sie das gemütliche Gehen im Schritt vor.
Alles sieht so aus, als hätten die Reiter vergessen, die Handbremse zu lösen: Ross und Reiter traben, Pardon: gehen auf den ersten Ring zu und machen sich’s darunter gemütlich.
Der Reiter sammelt sich, konzentriert sich, richtet das Banner auf den Ring und – nichts.
Leider hat das Pferd es sich noch einmal anders überlegt und den Rückgang eingelegt. Die Zuschauer raunen, geben gute Ratschläge, beraten sich mit den tapferen Recken.
Also alles wieder von vorn: hinmarschieren, konzentrieren, anvisieren und stechen. Ja, geschafft, wenn’s nicht noch das Auffangen des Banners hinterm Ring gäbe. Dafür muss allerdings erst Kollege Ross von der Notwendigkeit überzeugt werden, die notwendigen drei Schritte nach vorne zu machen. Auch keine leichte Aufgabe. Knappe drei Minuten beträgt 1983 die Siegerzeit am Kofl. Eine Zeit, in der sich heute die drei Erstplatzierten wiederfinden.
Weiter ging’s mit einem bald schon untergegangenen Spiel, dem Armbrustschießen am Matzlbödele, das allerdings mehr mit dem Mittelalter als mit Reiten zu tun hatte.
Das Spiel wurde nämlich zu Fuß absolviert und glich einer mittelalterlichen Version des Biathlon: absatteln, Armbrust in Empfang nehmen, schießen.
Und zwar einmal stehend, einmal kniend, einmal liegend. Wer an den in beruhigendem Altrosa gehaltenen Scheiben vorbeischoss – und das war die Mehrheit -, musste in die Strafrunde. Zu Fuß wohlgemerkt.
Endlich einmal sah man Oswalds Erben galoppieren, enge Kurven nehmen und Strohsäcke überspringen.
Am Völser Weiher kamen dann wieder die Pferde zum Hand-, Pardon, Hufkuss. Hier erwartete nämlich der Torritt unsere Helden. Ja, Sie haben schon richtig gehört. Der Torritt. Am Völser Weiher. So war’s damals noch, im Jahr 1983. Doch auch hier kein Vergleich zwischen Torritt 1983 und Torritt heute.
Und das nicht nur wegen des geänderten Hintergrundes. Vielmehr gings 1983 auch zwischen den Slalomstangen recht gemütlich zu: Eine Verschnaufpause bei jeder Torstange, harte Verhandlungen zwischen Ross und Reiter: Bitte, edler Vierbeiner, krieg die Kurve um die Stange. Mir zuliebe! Leider selten mit großem Erfolg. War der Slalom trotz der kurzen Verzögerungen einmal geschafft, ging’s zurück in die Wechselzone. wo das Banner an den Mannschaftskameraden übergeben wurde.
Ein kurzer Plausch, Erfahrungs-austausch sozusagen. ein paar Tipps, und weiter ging‘s. Von der allgemeinen Gemütlichkeit zwischen den Slalomstangen nicht anstecken ,ließ sich lediglich die Mannschaft aus Völs mit „Bummi“ Tschugguel, einem der Ideatoren des Rittes, in ihren Reihen, zog sie routiniert ihre Kurven durch die Torstangen. Fast so, als stecke hartes Training dahinter. Blieb schließlich noch der Hindernis-Galopp auf dem Weg vom Weiher nach Schloss Prösels.
Hier hieß es endlich den störrischen Rossen die Sporen zu geben und sie in den Galopp zu zwingen. Irgendwo auf halbem Weg mussten dann die Reiter etwas für ihre Fitness tun, absatteln, selbst galop-pieren und wieder aufsatteln. Zum Abschluss der Galopp-Tortur gab’s noch als Draufgabe den Todesstoß für alle Möchtegern-Reiter: ein 1,5 Meter breites Tor, durch das Ross und Reiter bugsiert werden mussten. Und zwar rückwärts. Für ratlose Gesichter sorgte hier lediglich die Frage, wie man das schaffen sollte, wenn das Pferd breiter ist als der Durchlass …
Punkt 18.15 Uhr hatte es auch das letzte Ross hinter sich gebracht. Ihre Reiter konnten im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung ihre wohlverdienten Lorbeeren abholen oder zumindest ihren geschundenen Hintern eine Verschnaufpause gönnen. Und für Ross und Reiter ging der erste Wolkenstein-Ritt fröhlich zu Ende.
Und feucht. Nein, wo denken Sie hin, nicht so feucht. Es hatte angefangen zu regnen …
Luise Malfertheiner & J. Christian Rainer